Der Fall zeigt, wie wichtig Ersthelfe - rinnen und Ersthelfer im Betrieb sind, aber auch, dass es auf den beherzten Einsatz anderer Beschäftigter ankommt. „Dabei kann die Angst aufkommen, etwas falsch zu machen oder die verletz- te Person noch mehr zu schädigen. Hin- zu kommt die Befürchtung, eventuell für einen entstandenen Schaden einstehen zu müssen oder gar für einen Fehler zur Rechenschaft gezogen zu werden“, be- richtet Dr. Horst Reuchlein, Leiter des Fachbereichs „Erste Hilfe“ bei der DGUV. Doch diese Sorge ist unbegrün- det. „Ersthelfende sind in doppelter Hinsicht juristisch abgesichert – sowohl, wenn sie bei der Ersten Hilfe nicht opti- mal handeln, als auch, wenn sie sich dabei selbst verletzen“, weiß der Experte. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eine Pflicht zur Hilfeleistung festgelegt und bestraft ihre Unterlassung. Wer bei Unglücksfällen keine Hilfe leistet, ob- wohl dies erforderlich und zuzumuten ist, hat nach Paragraf 323c des Strafge- setzbuches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geld- strafe zu rechnen. Das gilt insbesonde- re, wenn Erste Hilfe ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung an- derer wichtiger Pflichten möglich ist. Dass sich allein im Jahr 2020 laut DGUV Statistik 760.369 meldepflichtige Arbeitsunfälle ereigneten, macht deut- lich, wie wichtig es ist, im Betrieb für Erste Hilfe zu sensibilisieren. V U G D : 9 1 . S ; y a w a _ l e x i P / k c o t S i : 8 1 . S s o t o F Die Broschüre „Erste Hilfe im Betrieb“ und weitere Broschüren zum Thema finden Sie in unserem Mediencenter unter dem Stichwort „Erste Hilfe“. uv-bund-bahn.de/mediencenter 4 | 2021 UVB.dialog Wissen In jedem Fall versichert Dr. Horst Reuchlein beantwortet Fragen zu vier Erste-Hilfe-Szenarien. dann aber umgehend mit einer Herzdruckmassage beginnen sowie zuvor die 112 anrufen. Besonders sinnvoll ist die Erste Hilfe mit einem automatisierten Defibrillator. Si- cherheitsbeauftragte können die Anschaffung eines solchen Geräts im Betrieb anregen. 3. Ein Ersthelfer zieht einen ver- unglückten Kollegen von einer Straße. Dabei wird er selbst verletzt. Welche Ansprüche kann der Ersthelfer geltend machen? Jede Person, die Erste Hilfe leistet, ist gesetzlich unfallversichert. Egal, ob sie während der Arbeit oder in der Freizeit hilft. Für die Behand- lungskosten, aber auch weitere Leis- tungen, wie zum Beispiel Verletz- ten- und Übergangsgeld, kommt die gesetzliche Unfallversicherung auf. 4. Wer ersetzt die Kosten für Sachschäden, die Ersthelfen- den entstehen, etwa durch Blut von Hilfsbedürftigen an der eigenen Kleidung? Ersthelfende bleiben auf solchen Kosten nicht sitzen. Wer für die Kosten aufkommt, hängt davon ab, ob der Erste-Hilfe-Fall in der Frei- zeit, auf dem Arbeitsweg oder di- rekt am Arbeitsplatz geschieht. Bei Arbeits- und Wegeunfällen sind Verletzte selbst oder ihre Arbeitge- benden die Ansprechpersonen. Ist der Unfall in der Freizeit passiert, wendet man sich an den zuständi- gen Unfallversicherungsträger. 19 Dr. Horst Reuchlein Leiter des Fachbereichs „Erste Hilfe“ der DGUV 1. Ein Mitarbeiter erleidet einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Eine Kollegin versucht, ihn durch eine Herzdruckmassage wiederzubele- ben. Die Maßnahme wirkt, doch er- leidet der Mann dabei einen Rippen- bruch. Kann die Kollegin dafür belangt werden? Nein. Solange Ersthelfende nach bestem Wissen und Gewissen han- deln, werden sie nicht rechtlich belangt, wenn sie beim Helfen ungewollt eine Körperverletzung verursachen. Dies gilt auch, wenn die Erste-Hilfe-Maßnahmen erfolg- los waren. Ausnahme: Wer grob fahrlässig oder mit Vorsatz han- delt, kann zum Schadenersatz herangezogen werden. Wenn Kenntnisse fehlen oder Erste- Hilfe- Praktiken zu Verletzungen führen, fällt dies jedoch nicht unter grobe Fahrlässigkeit. 2. Nach einem Unfall wendet die ersthelfende Person eine Herzdruckmassage an – unterlässt aber aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus die Mund-zu- Mund-Beatmung. Macht sie sich strafbar? Nein, es liegt im Ermessen der han- delnden Personen, im Rahmen der Reanimation auf die Beatmung notfalls zu verzichten. Wer sich eine Beatmung nicht zutraut, braucht sie nicht durchzuführen, sollte DGUV Information 204-022204-022Erste Hilfe im BetriebMai 2017