a m e h t l e t i T 6 6 Was vielleicht gut gemeint ist, hat oftmals negative Folgen für die Mitbeschäftigten und den Betrieb. Denn wer krank zur Arbeit geht, tut niemandem einen Gefallen. Doch Präsentismus ist weitverbreitet. Und mit der gestiegenen Anzahl an Beschäftigten im Homeoffice ergibt sich zusätzlich eine andere Situation. Autor Jonas Katzenberger, Kommunikation Bestimmt standen Sie auch schon mal vor dem Dilemma zu entscheiden: Wie krank bin ich wirklich? „Eigentlich geht’s ja einigermaßen“, versuchen Sie sich die Si- tuation vielleicht schönzureden. Außer- dem darf sich das Projekt zeitlich nicht noch weiter verzögern. „Wer kann das schon machen, wenn ich nicht da bin?“ Und das Team wollen Sie mit Ihrer Abwesenheit ja auch nicht im Stich lassen. Gefahr für andere Doch dieser oftmals eigentlich gut gemeinte Ansatz unter dem Fachbegriff Präsentismus ist meistens leider zu kurz gedacht. Denn Sie können dabei nicht nur Ihre eigene Gesundheit nachhaltig gefährden, sondern auch die der Kolleginnen und Kollegen. Und Beschäftigte, die krank zur Arbeit gehen, sind weni- ger produktiv, machen mehr Fehler und verursachen und erleiden zudem auch selbst mehr Unfälle. Die Gesundheit ist jedoch kein binäres System – zwischen krank und gesund gibt es viele Nuancen und Abstufungen, die jeder Mensch auch noch an- ders wahrnimmt. Niemand fühlt sich täglich hundert- prozentig fit, und daher gibt es kein klares Entweder- oder. Zudem kommt es sicherlich auch auf das Zusammenspiel zwischen der krankheitsbedingten Einschränkung und der Arbeit an. Während bei man- chen Leiden bestimmte Tätigkeiten noch gut auszu- üben sind, ist bei anderen dringend davon abzuraten. Die Gründe, warum Menschen ihrer Arbeit krank nachgehen, sind vielfältig. Das kann beispielsweise das oben angesprochene Pflichtgefühl sein, die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, oder es werden berufliche Nachteile befürchtet. Homeoffice als Lösung? Gerade in Bürojobs arbeiten derzeit viele Beschäf- tigte im Homeoffice. Das hat auch einen positiven Effekt auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten, wie verschiedene Studien, unter anderem von der Kran- kenkasse AOK, deutlich machen. Das dürfte Arbeit- geber sicherlich freuen. Denn beispielsweise bei einer Erkältung gehen Beschäftigte ihrem Beruf eher nach, wenn sie sich nicht vorher lange mit den öf- fentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg machen und dann die ganze Zeit im Büro sitzen müssen – mit gemütlichen Klamotten und der Möglichkeit, sich zwischendurch auch mal hinzulegen, lässt sich das schon aushalten. Mit dieser Einstellung schließt man zumindest aus, jemanden aus dem Team anzustecken. Doch wäre es nicht besser, sich einmal auszukurieren, um anschließend wieder richtig fit zu sein? Und wie sieht es mit der Arbeitsleistung aus? Entstehen durch verminderte Konzentration vielleicht Fehler, die auch langfristig negative Auswirkungen haben können? Präsentismus kostet Geld Denn eines ist klar, und da werden bei Arbeitgebern die Alarmglocken schrillen: Präsentismus kostet das Unternehmen Geld, beispielsweise durch Minder- leistung oder auch Unfälle. Und manche Arbeitgeber müssen sich hinterfragen, ob sie Präsentismus viel- leicht unbeabsichtigt sogar unterstützen – beispiels- weise durch zu hohen Termin- und Leistungsdruck. Wichtig wäre es, in den Unternehmen die Ge- sundheitskompetenz der Beschäftigten zu fördern, damit diese ihre Grenzen erkennen und Krankheiten nicht verschleppen. Denn spätestens, wenn über einen längeren Zeitraum gegen ärztlichen Rat ge- arbeitet wird, kann es auch gefährlich werden. Auf den folgenden Seiten zeigen wir auf, welche Erkenntnisse wir zu diesem Thema im Rahmen einer eigenen Umfrage gewinnen konnten. Außerdem erläutert Diplom-Psychologe Jan Hetmeier von der UVB, wie Unternehmen aus seiner Sicht mit diesem Thema umgehen sollten. UVB.dialog 2 | 2021